08.07.2025 | Luiz Felipe Fernandes, Universidade Federal de Goiás | WSL News
Eine in Science veröffentlichte Studie unter der Leitung der Eidg. Forschungsanstalt WSL zeigt einen klaren Zusammenhang zwischen der Energieverfügbarkeit in Ökosystemen und der Artenvielfalt von Landwirbeltieren. Dies bildet eine solidere Grundlage für die Vorhersage, wie die biologische Vielfalt auf den Klimawandel reagieren könnte.
Ein internationales Team von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern unter der Leitung der Eidg. Forschungsanstalt WSL hat neue Antworten auf eine der grundlegendsten Fragen der Ökologie gefunden: Warum beherbergen einige Regionen mehr Arten als andere? Die Studie, die soeben in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht wurde, zeigt, dass es einen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Verfügbarkeit von Energie in der Umwelt (wie Temperatur und Niederschlag) und der Artenvielfalt gibt, insbesondere wenn diese Faktoren unabhängig von der Geografie analysiert werden.
Seit Jahrzehnten gehen Ökologinnen und Ökologen davon aus, dass wärmere, feuchtere Umgebungen tendenziell mehr Arten beherbergen, weil sie produktiver sind. Die empirischen Daten bestätigen diese Vorstellung jedoch nicht immer, und die Ergebnisse fallen je nach Region und Organismengruppe sehr unterschiedlich aus.
Die Forschenden schlugen darum einen neuen Ansatz vor: Anstatt benachbarte Regionen auf der Karte zu vergleichen, fassten sie Gebiete mit ähnlichem Klima zusammen, auch wenn sie auf verschiedenen Kontinenten liegen. «Anstatt die Erde als herkömmliche Karte mit Breiten- und Längengraden zu analysieren, begannen wir, sie auf der Grundlage des Klimas darzustellen, zum Beispiel mit Temperatur und Niederschlag als Hauptachsen», erklärt WSL-Forscher Marco Túlio Pacheco Coelho, Erstautor des Artikels.
So werden nun weit entfernte Orte mit demselben Klimatyp – zum Beispiel heiss und feucht – gemeinsam analysiert. Der Amazonas, der Kongo, Madagaskar und Papua-Neuguinea haben, obwohl sie auf verschiedenen Kontinenten liegen, ein ähnliches Klima und werden in diesem neuen Modell als ein einziger Umwelttyp betrachtet. «Diese neue Methode hat es uns endlich ermöglicht, die reinen Auswirkungen des Klimas, wie Temperatur und Niederschlag, auf die Artenvielfalt zu isolieren. Nun sind die Muster nicht mehr verwirrend», fügt Coelho hinzu.
Die Ergebnisse zeigen, dass in ähnlichen Klimazonen ein direkter Zusammenhang zwischen der verfügbaren Energie und der Anzahl der Arten besteht, insbesondere bei wechselwarmen Tieren wie Reptilien und Amphibien, die stärker von der Umgebungstemperatur abhängen. In diesem Zusammenhang bestätigte die Forschung auch eine der wichtigsten Vorhersagen der metabolischen Theorie der Ökologie (MTE), wonach die Artenvielfalt mit der Temperatur proportional zur verfügbaren metabolischen Energie zunimmt.
Im Rahmen der Forschungsarbeiten wurden Daten von über mehr als 30’000 Arten von Landwirbeltieren (Vögel, Säugetiere, Amphibien und Reptilien) gesammelt, wobei Institutionen aus Brasilien, der Schweiz, Schweden, dem Vereinigten Königreich, den Vereinigten Staaten und der Tschechischen Republik mitwirkten.
Die Rolle der Niederschläge ¶
Neben der Temperatur bezogen die Forschenden auch andere Faktoren in das Modell ein, darunter Niederschläge, Primärproduktivität und räumliche Eigenschaften der Klimazonen, wie beispielsweise ihre Ausdehnung auf dem Planeten und ihren Grad der Isolation. Die Analyse ergab, dass Niederschläge zwar von grundlegender Bedeutung für die Produktivität von Ökosystemen sind, dass sich aber ein Übermass an Niederschlägen negativ auf die Vielfalt auswirken kann, da konkurrenzstärkere Arten begünstigt werden. «Dies kann die Koexistenz und folglich die Vielfalt verringern», so die Forschenden.
Ein weiteres wichtiges Ergebnis der Studie ist, dass warme Klimazonen tendenziell grössere Gebiete einnehmen, während feuchte und hochproduktive Klimazonen seltener vorkommen. Dieser Unterschied wirkt sich direkt auf die Vielfalt aus. «Die Fläche und die Isolation der einzelnen Klimatypen erklären, wie es vielen Arten gelingt, sich in diesen Umgebungen zu entwickeln, sich auszubreiten oder zu überleben», betont Coelho.
Nach Ansicht der Autorinnen und Autoren bietet die Studie eine präzisere Grundlage für die Vorhersage, wie die biologische Vielfalt auf den Klimawandel reagieren könnte. Durch die Kontrolle der geografischen Effekte könne die Rolle der Energieverfügbarkeit in Umweltsystemen bei der Strukturierung des Lebens auf der Erde deutlicher erkannt werden, so die Forschenden.
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Kontakt ¶
Publikation ¶
Marco Túlio P. Coelho et al., Consistent energy-diversity relationships in terrestrial vertebrates. Science 389, 53-57 (2025). DOI:10.1126/science.adu2590
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